Anleitung zum wahren und guten Leben

Weisheit erlange ich beim Kauf eines Videorecorders, „Ich bin doch nicht blöd“.
Freude erlebe ich durch die Wahl des richtigen Kommunikationsanbieters, denn „Freude kann so einfach sein“. Verzicht erfahre ich nicht in der Übung von Selbstbeherrschung, sondern beim Verzehr einer Leckerei, ja „Verzicht kann so lecker sein“.
Ganz offensichtlich ist, und dies dürfte wohl kaum einem Verbraucher verborgen geblieben sein, dass die Werte, die in solchen Werbebotschaften formuliert werden, immer an eine kommerzielle Absicht gekoppelt sind, das heißt ein Konsument soll geworben werden.
In diesen Arbeiten werden die Werbeaussagen aus ihrem materiellen Kontext losgelöst, vom Produkt befreit in ein kulturelles, absichtsfreies Umfeld transportiert. Dabei bekommt der Autor des Satzes, also der Produzent, bzw. das jeweilige Unternehmen den Stellenwert eines Weisen, eines Priesters, eines Philosophen oder Visionärs; diejenigen Personen, die prädestiniert sind, der Gesellschaft relevante Leitbilder an die Hand zu geben, weltanschauliche Orientierungshilfen zu geben.
In ihrem neuen Zusammenhang verkehren sich die Aussagen der Wertsätze oft ins Gegenteil oder sie erfahren eine Verschiebung vom Logischen ins Absurde, vom Ernsten ins Komische vom Wahren zur Übertreibung, was eine Verunsicherung des Rezipienten in der Bewertung des Gelesenen, bzw. des Gesehenen zur Wirkung hat.
Der wahrheitssuchende Betrachter findet keine sinngebende Grundlage für soziale Normen, Traditionen oder Verhaltensmuster. Er wird allein gelassen in der Bewertung fragwürdiger Symbole und Leitmotive.

Mariel Gottwick

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