Über die Arbeiten
… Es ist nicht zu übersehen, daß Heiner Hepp mit seiner künstlerischen Haltung die Grenzen einer Stilrichtung in jeder Hinsicht überschreitet. So bezeichnet er augenzwinkernd seine Arbeiten manchmal als "self-made-ready-mades", da man beim ersten Betrachten das Gefühl habe, es wären "Ready mades", also industriell gefertigte Produkte, aber dann doch schnell sieht, daß es keine sind. Sich trotzdem des Begriffs Ready made zu bedienen, ist eine Referenz an Duchamp, ohne dessen Werk Skulpturen in der Art, wie sie Heiner Hepp komponiert, kaum denkbar wären. Was bei beiden Künstlern - und nicht nur bei ihnen – strukturell gleich ist, ist das Verwenden von profanen Materialien. Dadurch wird nun nicht etwa die Kunst profanisiert, sondern im Gegenteil, profane Dinge werden zur Kunst erhoben, also als Kulturgut anerkannt. Vergleichbar ist dieser Vorgang vielleicht mit der Malerei der Renaissance, die erstmals individuelle Personen als Motive aufnahm und darstellte: Auch hier wurde etwas bisher der Kunst nicht Würdiges, Profanes also, aufgenommen und dadurch erhöht.

Die Spannplatten in den Skulpturen von Heiner Hepp bilden meist die Umgrenzungen, Rahmen und Gerüste, welche den Raum einer Arbeit definieren und thematisieren. Die Lichtwellbahnen hingegen heben diese Begrenzung zumindest optisch wieder auf, geben mehr oder weniger den Blick frei ins Innere oder auf das Dahinterliegende; sie entgrenzen die Arbeiten wieder. Die Lichtwellbahnen bringen jedoch auch ein transzendentes Moment im Sinne spätantiker Neuplatoniker ein, die das Licht mit dem höchsten Sein und dem zeugenden Prinzip des Universums gleichsetzten. Damit ist in den Lichtwellbahnen und dem mit ihnen thematisierten Licht eine Art universeller Essenz verborgen. Sie kann für den einen religiöser Natur sein, für den anderen mehr auf eine allgemeine Geistigkeit oder Universalität abzielen. Auf jeden Fall kann hier nun das Licht bzw. können die Lichtwellbahnen in Bezug zum Behältnis gesetzt werden. Denn wenn dieses einerseits in seinen Maßen einer anthropologischen Norm folgt - was für den Künstler wichtig ist – und in ihrer Funktion andererseits - die Kisten können im weitesten Sinn als der letzte Raum, als Sarg gedeutet werden – etwas Existentielles andeuten, dann ist das Licht ihr geistiger Überbau, ohne allerdings einer bestimmten Lehre oder Ideologie zu folgen. Denn eine solche wird ja gerade in dem nicht Zweckhaften, Funktionslosen der Behältnisse und ihren Details negiert. Jedes Scharnier, das keine Funktion hat, hat für den Künstler nach eigenem Bekunden etwas "Nihilistisches", das als Skepsis gegenüber einer allzu rationalen, wie einer allzu ideologischen oder transzendenten Sicht der Dinge gedeutet werden kann.

Heiner Hepps Skulpturen wirken ganz bodenständig und handwerklich. Die verwendeten Materialien stammen aus dem Baumarkt, sind Teil unseres Alltags. Gleiches gilt zunächst für die Form der Skulpturen. Sie wirken nicht nur alltäglich, sondern scheinen ihr Formenvokabular ganz aus dem Alltag und der Arbeitswelt zu beziehen. Doch ist das nur eine Seite seines Werks. Die andere Seite sind die aufgezeigten Bezüge zur modernen Kunst, zum Bauhaus und bis zurück ins Mittelalter. Wichtig dabei ist der Umgang mit dem Profanen, das eben nicht als solches bestehen bleibt, sondern erhoben wird zum kunstfähigen Material. Ein Vorgang, der in der Gegenwartskunst von besonderer Bedeutung ist. Zu übersehen ist allerdings auch nicht, daß bei aller Formenstrenge und Klarheit, bei aller Transzendenz und bei allem Nihilismus, in den Skulpturen ein ironisches Augenzwinkern steckt. Diese ironische Haltung sichert den Arbeiten das Leichte und Unverkrampfte, das ihnen eigen ist. Ohne diese Ironie wäre die Verbindung von transzendenten bis hin zu nihilistischen Momenten wohl auch nicht glaubhaft möglich.

Aus: Otfried Käppeler, Katalog Skulptur, Galerie ars vivendi, Pfaffenhofen/Ilm, 1997


www.heiner-hepp.de

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